Gesundheitstipp: Adipositas – Akzeptanz statt Stigma
In Deutschland gilt mehr als die Hälfte aller Erwachsenen als übergewichtig. Fast ein Viertel von ihnen leidet unter krankhaftem Übergewicht (Fettleibigkeit, Adipositas). Dies belastet nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Psyche. Adipöse Menschen begegnen zahl-reichen Vorurteilen und gelten als willensschwach, träge und maßlos. „Um langfristig aus dem Teufelskreis der Fett¬leibigkeit herauszukommen, ist es wichtig, mit Vorurteilen gegenüber übergewichtigen Menschen aufzuräumen“, sagt Dr.rer.biol.hum. Kerstin Gruner-Labitzke, Ernährungsberaterin im Adipositaszentrum der Stiftung Herzogin Elisabeth Hospital. Anlässlich des Europäischen Adipositas-Tags rückt die Ökotrophologin die Erkrankung in unser Bewusstsein.
Adipositas ist nicht gleich Adipositas
Übergewicht und Adipositas werden über den Body Mass Index (BMI) definiert. Bei einem BMI bis 25 spricht die WHO von Normalgewicht, bei einem BMI bis 30 von Übergewicht. Adipositas beginnt ab einem BMI von 30 und wird je nach Ausprägung der Fettleibigkeit in drei Grade unterschieden. Beim Grad I ist der BMI zwischen 30 und 34 und die Gefahr gesundheitlicher Folgen bereits erhöht. Bei einem BMI zwischen 35 und 40 wird vom Adipositas-Grad II gesprochen. Das Übergewicht ist bereits weit fortgeschritten und insbesondere das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko steigt rasant. „Einfache Bewegungen fallen inzwischen schwer und Diäten, Lebensumstellungen und Bewegungsprogramme führen oft nicht zu dem gewünschten Erfolg oder senken das Übergewicht nur für begrenzte Zeit, sodass es zum Jojo-Effekt kommt“, berichtet Dr. Gruner-Labitzke aus ihrer langjährigen Arbeit mit adipösen Patienten.
Ab einem BMI von 40 beginnt die sogenannte morbide Adipositas, an der 1-2% der Bevölkerung leiden; das entspricht rund 800.000 Patienten. Neben dem krankhaften Übergewicht stellen Folgeerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz- und Kreislaufschwäche, Gelenk- und Wirbelsäulenverschleiß und Krebs eine zusätzliche Belastung dar, vermindern die Lebenserwartung und schränken die Lebensqualität erheblich ein. Auch psychische Beschwerden wie Selbstzweifel, Depressionen und Angstzustände hat die starke Fettleibigkeit zur Folge. Dr. Gruner-Labitzke: „Der seelische Schmerz ist dabei sehr belastend – Betroffene schämen sich für ihren Körper und ihre vermeintliche Schwäche. Damit beginnt ein Kreislauf aus sinkendem Selbstwertgefühl, sozialer, beruflicher und partnerschaftlicher Isolation sowie zunehmender Depression.“
Adipositas – Eine chronische Krankheit
Während die WHO Adipositas bereits im Jahr 2000 als chronische Krankheit eingestuft hat, hält sich hierzulande das Stigma, dass Fettleibigkeit ein durch ungesunden Lebensstil verursachter Zustand sei, der durch kalorienarme Ernährung und gesteigerte Bewegung wieder verschwinden könne. „Obwohl inzwischen jede vierte Person in Deutschland übergewichtig ist, findet noch immer eine solche Stigmatisierung von Patienten mit Adipositas statt“, kritisiert Dr. Gruner-Labitzke. „Tatsächlich ist die Entstehung von Übergewicht sehr -vielschichtig. Ab einem BMI von 40 haben Betroffene bereits mehrfach verschiedene konservative Versuche unternommen, ihr Gewicht zu reduzieren. Hier stellen Magenverkleinerungsoperationen die einzige langfristige Therapie dar, stark Übergewichtigen eine realistische Aussicht auf anhaltende Gewichtsreduktion zu geben. Die chirurgischen Therapiemöglichkeiten im Adipositaszentrum des HEH können wirkungsvoll helfen und Betroffenen einen großen Teil ihrer Lebensqualität wieder zurückgeben.